offener Brief an die Koalitionsverhandlungen Landwirtschaft und Ernährung

An die Mitglieder der Koalitionsverhandlungen für Landwirtschaft und Ernährung SPD, BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN, FDP

Konsequente Agrarwende für eine zukunftssichere und nachhaltige Landwirtschaft

Sehr geehrte Damen und Herren,

der Klima- und Artenschutz sind die größten Herausforderungen für die kommende Legislaturperiode. Deswegen möchten wir Ihnen unsere Forderungen nahebringen und würden uns über einen Austausch darüber sehr freuen.

Die industrielle Landwirtschaft, so wie wir sie heute kennen, verursacht Klimaerhitzung, Artensterben und  Tierleid. Sie ist dabei nicht nur ein Opfer des globalen Klimawandels, sondern gehört auch zu den Verursachern.

Wissenschaftliche Berechnungen sagen, dass bis zu 13 % der klimaschädlichen Emissionen in Deutschland direkt oder indirekt durch die Landwirtschaft verursacht werden, dabei ist gerade die Massentierhaltung ein starker Klimatreiber.

Die Landwirtschaft verursacht mit den Treibhausgasen Methan, Lachgas und Kohlendioxid 7 % der jährlichen CO²-Belastung. Dazu müssen aber auch die negativen Auswirkungen durch die trockengelegten Moore, für dadurch neu erworbenes Ackerland und Wiesen, berechnet werden. Hier werden Methan und Stickstoff in Höhe von 5 % pro Jahr freigesetzt. Weitere 1 % des jährlichen Verbrauchs verursachen Abfälle und Abwasserbelastungen, so dass in Summe eine Gesamtbelastung von 13 % pro Jahr erreicht wird.*  

Es gibt viele Stimmen, die eine konsequente Agrarwende fordern, leider kommt dies in der öffentlichen Wahrnehmung noch viel zu wenig vor. Neben einer Energie- und Verkehrswende bedarf es eben auch einer Agrarwende, damit wir die Zukunft sichern und die Ziele in allen Sektoren noch erreichen können.

Leider ist die Förderung einer Umstellung von konventioneller Landwirtschaft zu einer Bio-Landwirtschaft bisher nicht messbar. Es müssen jetzt endlich mutige und entschlossene Maßnahmen im Regierungsprogramm verankert werden, die genug Planungssicherheit für unsere Lebensmittelproduzenten ermöglichen. Dabei braucht es jetzt starke finanzielle Anreize für einen Umstieg in die Bio-Landwirtschaft und einen Ausstieg aus der Massentierhaltung. Genauso, wie die Industrie und die Energie- und Autowirtschaft mit starken Anreizen belohnt werden, wenn sie ihre Produktion umstellen, so muss auch die konventionelle Landwirtschaft angeregt werden.

Deswegen haben wir folgende Forderungen zusammengestellt, deren Einlösung wir von der kommenden Bundesregierung erwarten:Eine Umstrukturierung der bisherigen Agrarsubventionen von einer reinen Flächensubvention zu einer Förderung des klimafreundlichen Anbaus.

Eine verlässliche Hilfestellung und Planungssicherheit bei der Umstellung der konventionellen Landwirtschaft auf eine sozio-ökologische und bio-vegane Landwirtschaft.

  • Eine Umstrukturierung der bisherigen Agrarsubventionen von einer reinen Flächensubvention zu einer Förderung des klimafreundlichen Anbaus.
  • Eine verlässliche Hilfestellung und Planungssicherheit bei der Umstellung der konventionellen Landwirtschaft auf eine sozio-ökologische und bio-vegane Landwirtschaft.
  • Maßnahmen zur Halbierung der Tierzahlen, wie zum Beispiel eine Flächenbegrenzung, die sich an der geernteten Futtermenge im Landkreis richtet
  • Anhebung der MwSt. vom ermäßigten auf den vollen Steuersatz auf alle Fleisch- und Tiermilchprodukte. Außerdem fordern wir die Verringerung des MwSt.-Satzes von 19 % auf 7 % für alle veganen Fleisch- und Milchalternativen. Nicht weiterverarbeitetes regionales Gemüse, Getreide und Obst in Bioqualität sollten gar nicht mehr besteuert werden.
  • Zusätzlich fordern wir eine wirksame Tierwohlabgabe auf alle Fleisch- und Milchprodukte
  • Förderung für pflanzenbasierte Angebote in der Gemeinschaftsverpflegung: wir fordern als Standard ein pflanzenbasiertes Nahrungsangebot in allen öffentlichen Einrichtungen und in der Gemeinschaftsverpflegung von mindestens 90 %. So kommen sowohl Veganer*innen, Flexitarier*innen, laktoseintolerante als auch halal/koscher lebende Menschen zu ihrem Recht.
  • Wir fordern: “Weg von tierlichen – hin zu pflanzlichen Produkten”: In allen Produktionsstätten müssen tierliche Produktionsteile durch pflanzenbasierte Produktionsteile ersetzt werden. Wir fordern darüber hinaus die Verpflichtung zur Kenntlichmachung auf dem Endprodukt von tierlichen Produkten in sämtlichen Produktionsverfahren.
  • Treibhausgasemissionen müssen auf Lebensmitteln gekennzeichnet werden, damit der Verbraucher sich informieren und vor Ort entscheiden kann. Dies kann ähnlich wie mit dem Nutri-Score gehandhabt werden.
  • Treibhausgaspreise (CO2-Preis) müssen auch für landwirtschaftliche Produkte erhoben werden.
  • Alle Steuern und Subventionen und infolgedessen auch alle Produkte müssen auf ihre Gemeinwohl- und Klimanützlichkeit überprüft werden.

Ausdrücklich wollen wir die Menschen, die von der Produktion unserer Lebensmittel leben, nicht diskreditieren. Der sehr wichtige Wirtschaftszweig Landwirtschaft muss zukunftssicher und nachhaltig umgestaltet werden, damit auch weiterhin die Bevölkerung durch gesunde Nahrungsmittel ernährt werden kann – ohne dass dabei Lebewesen und die Natur- und Umwelt geschädigt und ausgebeutet werden müssen.

Wir übersenden diesen Brief an alle Teilnehmer der Koalitionsverhandlungen Landwirtschaft und werden diesen auch veröffentlichen.  

Für Rückfragen stehen wir Ihnen gerne jederzeit zur Verfügung und freuen uns auf Ihre Antwort.

Mit freundlichen Grüßen

Holger Pangritz, Vorstand

*Quelle: Handbuch Klimaschutz, erschienen im oekom-Verlag, Seite 93, Tabelle 6