Verbändeapell Klimaschutzgesetz

Das deutsche Klimaschutzgesetz muss jetzt an das Pariser Klimaabkommen und das neue EU-Klimaziel angepasst werden

Mit dem Klimaschutzgesetz sind die deutschen Klimaschutzziele insgesamt und für alle Sektoren erstmals gesetzlich fixiert. Das war und ist ein großer Schritt zu mehr Verbindlichkeit im Klimaschutz. In diesem Jahr  muss die Bundesregierung erstmals ihren Fortschritt bei der Treibhausgasreduktion an den jährlichen Vorgaben im Verkehrs-, Industrie-, Landwirtschafts-, Gebäude- und Energiesektor messen und nachsteuern, wenn die Vorgaben nicht erreicht werden.

Das Klimaschutzgesetz und das darin verankerte Reduktionsziel für das Jahr 2030 von minus 55 Prozent sind jedoch veraltet und stehen nicht im Einklang mit den Zielen des Pariser Klimaabkommens und der Europäischen Union. Deutschland leistet mit den gegenwärtigen Klimaschutzzielen keinen fairen Beitrag zur Bewältigung der weltweiten Klimakrise, die zunehmend Armut, Hunger und Ungerechtigkeit insbesondere im Globalen Süden verschärft. 

In der Europäischen Union wird zurzeit zwischen Kommission, Rat und dem Parlament gerungen, das EU-Klimaziel für 2030 von derzeit 40 auf 60 Prozent anzuheben. Mit dem Beschluss der Staats- und Regierungschef*innen der Europäischen Union im Dezember 2020, das EU-Klimaschutzziel von 40 auf mindestens 55 Prozent Treibhausgasreduktion bis 2030 zu erhöhen, wurde das deutsche Klimaschutzgesetz aber bereits von den europäischen und globalen Realitäten überholt. Gemäß dem Pariser Klimaabkommen hat die EU, wie viele Länder weltweit, ihr höheres Reduktionsziel beim Klimasekretariat der Vereinten Nationen eingereicht.

Eine Nachbesserung der nationalen Beiträge zum Pariser Klimaabkommen war und ist dringend notwendig, weil die bisherigen Ziele die Welt in eine Klimakrise mit bis zu drei Grad Erderhitzung führen würden. Noch immer sind wir nicht auf dem richtigen Weg, die Erderhitzung auf maximal 1,5 Grad zu begrenzen. Auch das neue EU-Klimaziel reicht dafür noch nicht aus und muss deshalb im Rahmen der Trilogverhandlungen zum EU-Klimagesetz nachgebessert werden.

Das neue EU-Klimaziel konsequent umsetzen –
auch im Klimaschutzgesetz

Die Bundesregierung steht nun in der Verantwortung, das neue Klimaziel der EU von mindestens 55 Prozent oder gar 60 Prozent – je nach Ausgang der Trilogverhandlungen – noch vor der Sommerpause in deutsches Recht zu übertragen und an das Pariser Klimaabkommen anzupassen. Eine Anpassung des deutschen Klimaziels an höhere europäische und internationale Klimaziele ist im Klimaschutzgesetz selbst in § 3 gesetzlich vorgeschrieben. Wir fordern die Bundesregierung deshalb auf, einen zügigen Beschluss des Deutschen Bundestages herbeizuführen,
das Klimaziel und die Sektorziele anzupassen sowie geeignete Klimaschutzmaßnahmen vorzulegen, um diese tatsächlich zu erreichen. Die Zeit dafür drängt.

Am 15. März ist der Stichtag für die Veröffentlichung der Treibhausgasbilanz des Vorjahres durch das Umweltbundesamt und Startpunkt für den im Klimaschutzgesetz festgelegten Nachbesserungsprozess. Dieser Tag könnte ein Meilenstein für die deutsche Klimapolitik sein, weil jede*r Bundesminister*in künftig in die Verantwortung gezogen wird und Lösungen vorlegen muss, um versäumte Treibhausgasreduktionen in seinem oder ihrem Verantwortungsbereich rasch nachzuholen.

Der Schritt nach vorne wird jedoch nur gelingen, wenn die Erhöhung des EU-Klimaziels konsequent und ambitioniert in das Klimaschutzgesetz und damit in deutsches Recht umgesetzt wird. Darüber hinaus muss das erhöhte EU-Klimaziel mit Maßnahmen unterfüttert werden – europaweit und in jedem einzelnen Mitgliedstaat. Die neuen Realitäten müssen sich im Klimaschutzgesetz widerspiegeln – sonst bliebe es wirkungslos. Statt Klimaschutz zu befördern, würde das Gesetz für Deutschland einen falschen Pfad festschreiben, unzureichende Maßnahmen befördern und das Land in falscher Sicherheit wiegen.

Ein Warten der Bundesregierung auf das europäische Fit-for-55-Paket ist für unser Land keine Option. Vieles ist ausreichend klar und wir haben nicht die Zeit, mit der Umsetzung in Deutschland zu warten, bis das Paket ausgestaltet und beschlossen ist. Zu lange wurde Klimaschutz schon auf die lange Bank geschoben oder blockiert. Wir erwarten jetzt entsprechende Zusagen und Taten von den Entscheidungsträger*innen – so wie es das Klimaschutzgesetz in § 3 selbst vorschreibt. Als einer der größten Emittenten innerhalb der EU muss sich Deutschland und damit die Bundesregierung jetzt strategisch festlegen, was sie auf europäischer Ebene erreichen
will. Aus dieser Festlegung sollten sich die Sektorziele des Klimaschutzgesetzes ableiten.

Wir fordern deshalb eine Reform des Klimaschutzgesetzes noch vor der Sommerpause. Hierzu muss Bundesministerin Schulze zeitnah einen Vorschlag unterbreiten. 

  • Das Klimaschutzgesetz und das deutsche Klimaziel für 2030 müssen an das neue EUKlimaziel angepasst werden. Für Deutschland ergibt sich daraus ein Ziel von mindestens 70 Prozent Treibhausgasreduktion bis 2030 gegenüber 1990.(1)
  • Die sektoralen Emissionsreduktionsziele im Gesetz für die Bereiche Energie, Verkehr, Industrie, Landwirtschaft und Gebäude müssen an das neue Klimaschutzziel angepasst werden.
  • Die Emissionsreduktionen dürfen zwischen den Sektoren nicht aufgerechnet werden.
  • Die Emissionsreduktionen müssen in Deutschland erfolgen. Der Ankauf von Emissionszertifikaten
    aus dem Ausland für diesen Zweck muss ausgeschlossen werden.
  • Die Aufgaben des Expert*innenrats für Klimaschutzfragen müssen erweitert werden. Die Prüfung der Vorjahresemissionen muss einschließen, dass die Gründe für das Einhalten oder Verfehlen der Emissionsziele (wie z. B. die gegenwärtige Einhaltung der Ziele wegen der Corona-Pandemie) erfasst werden. Ferner sollten auch Projektionen einbezogen werden, die die Wirkung und Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen in den
    Folgejahren bewerten, um zu beurteilen, ob sich Deutschland auf einem guten Weg befindet, auch die mittel- und langfristigen Klimaschutzziele einzuhalten.
  • Eine Übertragung von Emissionseinsparungen auf Folgejahre, wie sie jetzt durch die Corona-Pandemie ohne zusätzliche Klimaschutzanstrengungen erfolgt sind, darf nicht möglich sein.

Ein Ziel ohne ausreichende Maßnahmen ist nichts wert – daher fordern wir von der Bundesregierung:

Die Bundesregierung darf es nicht bei Worten belassen. Parallel zu der Anpassung des Klimaschutzgesetzes
muss die Bundesregierung ausreichende Maßnahmen ergreifen, damit die Ziele auch erreicht werden. Schon jetzt wird das aktuelle Klimaschutzprogramm 2030 bei wohlwollender Betrachtung nur 51 bis 52 Prozent Treibhausgasreduktion bis 2030 bewirken. Ein Verfehlen von Klimaschutzzielen sowie Maßnahmen und Rahmenbedingungen, die nicht auf die Umsetzung des Pariser Klimaabkommens abzielen, können wir uns in Zeiten der sich zuspitzenden Klimakrise nicht mehr leisten.

Wir erwarten, dass sich die Bundesregierung jetzt dafür einsetzt, das Fit-for-55-Paket in der EU und in Deutschland ambitioniert umzusetzen und das Klimaschutzgesetz anzupassen. Außerdem muss sie der Aufforderung des Bundestages vom Dezember 2020 folgen, noch bis Ende März 2021 die Ausbaumengen für erneuerbare Energien an das EU-Ziel anzupassen. Deutschland darf in Zeiten der Klimakrise nicht untätig bleiben. Es gilt, einen deutlich schnelleren Zubau der erneuerbaren Energien zu erreichen, sodass Deutschland bis 2030 im Stromsektor einen
Anteil von mindestens 80 Prozent am Bruttostromverbrauch verwirklicht. Zivilgesellschaftliche Akteure haben umfassende weitere Maßnahmenvorschläge für alle Sektoren vorgelegt, die den Weg in effektiven Klimaschutz weisen.

Deutscher Naturschutzring (DNR) e.V.
Lisa Grau
Referentin für Klima- und
Transformationspolitik
Tel.: +49 (0)30 / 678 1775 87
lisa.grau@dnr.de
www.dnr.de

Klima-Allianz Deutschland
Stefanie Langkamp
Leiterin Nationale Klima- und Energiepolitik

Tel.: +49 (0)30 / 780 8995 22
stefanie.langkamp@klima-allianz.de
www.klima-allianz.de