Wo ist die Fleischwende?

06.01.2021 – Über den Fleischatlas 2021 und wie eine Reduzierung der klimaschädlichen Gase in der Landwirtschaft gelingen kann. Ein Versuch der Zusammenfassung von Holger Pangritz, vegan4future e.V.

Heute habe ich einen Bericht im Deutschlandfunk über die Vorstellung des aktuellen Fleischatlas 2021 von der Heinrich-Böll-Stiftung und dem BUND gehört.

Ich habe folgendes mitgenommen: leider gibt es immer noch keinen Rückgang des Fleischverbrauchs. 60 kg. Fleisch verbraucht immer noch jeder Bundesbürger durchschnittlich pro Jahr – und das hält sich mit den letzten Jahren die Waage. Trotz aller Positivnachrichten, mehr Menschen würden sich pflanzlich ernähren, wird weiterhin so viel Fleisch verbraucht?

Barbara Unmüßig, Vorstand der Heinrich-Böll-Stiftung, sagte bei der Vorstellung einer Erhebung zum Fleischkonsum:

… wesentlicher Treiber der Klimakrise ist die industrielle Fleischproduktion. Diese vertreibt Menschen von ihrem Land und führt zu Waldrodungen, Pestizideinsätzen und Artenverlust.

Allein die fünf größten Fleisch- und Milchkonzerne emittierten mit 578 Millionen Tonnen so viel klimaschädliche Gase wie der größte Ölmulti der Welt, Exxon, und erheblich mehr als Frankreich oder Großbritannien, sagte Unmüßig weiter. Der Wachstumstrend in der globalen Fleischproduktion sei trotz Schweinepest ungebrochen, führt Frau Unmüßig weiter aus.

Gleichzeitig steigt global der Fleischverbrauch. In den letzten 20 Jahren hat sich der Verbrauch von Fleisch sogar verdoppelt! Gerade der ewige Spitzenreiter USA und die restlichen amerikanischen Staaten, aber auch China und die Schwellenländer konsumieren immer mehr tierisches Leben.

So lange wir es der Industrie und Werbewirtschaft zulassen, immer mehr sinnlose Produkte auf den Markt zu werfen, wie z.B. eine spezielle Milch für über 50 jährige, umso mehr Verlangen wird nach diesen vermeintlichen ersatzlosem Lebensmittel erzeugt.

Es ist oft wissenschaftlich bewiesen und muss immer wieder gesagt werden: Fleisch ist hoch ökologisch belastet. Der Anbau der Futterstoffe und die Vernichtung der Umwelt durch diesen Anbau, sowie die exzessive Viehhaltung verursachen einen riesigen Ausstoß an CO2 und weiteren klimaschädlichen Gasen (z.B. Methan). Gleichzeitig wird die wichtige Biodiversität zerstört.

Beim aktuellen Fleischverbrauch laut Fleischatlas 2021 gibt es dabei einen weiteren Zuwachs an Geflügel und einen geringen Rückgang an Rindfleisch.

Die Autoren verlangen längst überfällige Gegenmaßnahmen. Der Fleischverbrauch in Deutschland muss um 50 % gesenkt werden. Dies kann durch Informationen für den Verbraucher, aber auch durch eine erhebliche Verteuerung von Fleischprodukten geschehen.

Fleisch muss dabei wieder ein besonderes und damit teures Lebensmittel werden. Außerdem darf in Deutschland oder Europa nur so viel Vieh gehalten werden, wie in Europa auch Futter angebaut werden kann.

Gleichzeitig müssen wir sofort aufhören, Moore zu entwässern. Moore sind aktiver Klimaschutz, denn Sie binden CO2. Durch eine Trockenlegung für die Tierhaltung oder zum Futteranbau werden im Boden gebundenes CO2 gelöst und in die Umwelt abgeben. Das bedeutet einen Anteil von 4 % des jährlichen CO2-Ausstosses in Deutschland. Ein Ausbau muss also gestoppt und trockengelegte Moore müssen zurück gebaut und wieder verwässert werden.

Ein Lichtblick ist eine Umfrage von 1200 jungen Menschen im Alter von 15 – 29 Jahren. 13 % von ihnen ernähren sich vegan oder vegetarisch, 25 % sind Flexitarier und essen nur sehr wenig Fleisch.

Quelle Deutschlandfunk

Es gibt eine persönliche Verantwortung, dies zu ändern. Das muss immer wieder gesagt werden: Klimaschutz beginnt auf unseren Teller! Aber eine noch größere Verantwortung liegt am Staat, der endlich zielführende und allgemeingültige Maßnahmen durchsetzen muss.

Alle tierischen Produkte müssen mit einer CO2-Steuer belegt werden und vielleicht ähnlich dem Nutri-Score, müssen alle Lebensmittelprodukte mit einem Klimawert ausgezeichnet werden (Kennzeichnungspflicht für Klimaschädliche Produkte). Auch eine hohe Klimaschadenabgabe zur Verteuerung der Fleischprodukte und eine damit verbundene Subvention der bio-veganen Landwirtschaft sind unbedingt nötig.

Quelle vegan4future

Im „Handbuch Klimaschutz – wie Deutschland das 1,5-Grad-Ziel einhalten kann“ (erschienen im oekom-Verlag) werden die deutschen Treibhausquellen für die Landwirtschaft mit insgesamt 19 % CO2-Ausstoß berechnet, dass sind im Einzelnen:

  • 7 % Landwirtschaft
  • 5 % Bodennutzung
  • 4 % trockengelegte Moore
  • 3 % Rinderhaltung

Bei der Landwirtschaft sind die wichtigsten CO2-Quellen die Tierhaltung (Rinderhaltung für die Fleisch- und Milchproduktion sowie die Emissionen durch die Düngung der Felder).

Im Sektor Bodennutzung entsteht der größte Beitrag an Treibhausgasen durch die Trockenlegung der Moore und Wiesen. Biologische Prozesse führen dazu, dass hier eine große Menge an Treibhausgasen entstehen. Wälder sind hingegen die einzige Senke für Kohlendioxid. Beim Wachstum ziehen sie CO2 aus der Luft, binden es im Holz sowie im Humus, der entsteht, wenn sich Blätter und Äste mit der Zeit zersetzen.

Die Landwirtschaft in Deutschland verursacht jährlich 25 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente!

Folgende dringende Maßnahmen werden im „Handbuch Klimaschutz“ von den Autoren gefordert:

  1. Treibhausgasemissionen sollten auf Lebensmitteln gekennzeichnet werden, damit Verbraucher:innen sich daran orientieren können.
  2. Treibhausgaspreise sollten auch für landwirtschaftliche Produkte erhoben werden.
  3. Der Konsum von Fleisch und Milchprodukten sollte entsprechend den Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung durch Aufklärung und höhere Preise reduziert werden.
  4. Die wesentlichen Umstellungen in der Landwirtschaft erfolgen durch die Umstellung der Regeln für die EU-Förderung:
    1. Reduzierung der Stickstoffemissionen in der Düngung vorschreiben.
    1. Ausweitung des Ökolandbaus auf mindestens 30 Prozent bis 2040.
    1. Gasdichte Lagerung und Verarbeitung von Gülle und Mist vorschreiben
    1. Die Förderung von landwirtschaftlicher Produktion, vor allem Fleisch und Milchprodukten, für den Export auslaufen lassen.
    1. Elektrifizierung oder Umstellung auf E-Brennstoffe der Geräte, Fahrzeuge, Ställe und sonstiger Gebäude der Landwirtschaft
  5. Biogasanlagen sollten auf Reststoffe umstellen. Außerdem sollten sie nicht mehr im Dauerbetrieb laufen, sondern nur dann, wenn Wind- und Sonnenkraftwerke alleine zu wenig Strom abgeben. So können sie zur Stabilität des Energiesystems beitragen. Hierfür muss die Förderung selbstverständlich angepasst werden.

Quelle: Handbuch Klimaschutz

Eine unserer zentralen Forderungen von vegan4future e.V. sind:

„klimafreundliches Verhalten muss belohnt und klimaschädliches Verhalten muss verhindert werden“

Dabei fordern wir die Umstrukturierung der bisherigen Agrarsubventionen von einer reinen Flächensubvention zu einer Förderung des klimafreundlichen Anbaus.

Außerdem müssen wir eine immense Hilfestellung der Betriebe bei der Umstellung der konventionellen (Tier-)Landwirtschaft auf eine sozio-ökologische und bio-vegane Landwirtschaft leisten.

Dabei soll natürlich auch der Verbraucher in die Pflicht genommen werden. Neben einer Auszeichnung der Klimaschädlichkeit der Lebensmittel fordern wir eine Verringerung des MwSt.-Satzes von 19% auf 7 % für alle veganen Fleisch- und Milchalternativen. Nicht weiterverarbeitetes regionales Gemüse, Getreide und Obst sollten sogar überhaupt nicht besteuert werden. Es muss endlich eine Steuergerechtigkeit mit einem weiteren positiven Einfluss auf die Klimabilanz hergestellt werden.

Quelle: vegan4future

Die Wissenschaft zeigt immer deutlicher auf, wie hoch der Anteil der Landwirtschaft und unsere Ernährung an den Klimaschädlichen Gasen sind. Jeder von uns kann persönlich etwas für seine Umweltbilanz tun, trotzdem muss der Staat endlich Verantwortung übernehmen und nachhaltig wirksame Maßnahmen durchführen. Wir benötigen endlich einen Wissenschaftslobbyismus durch Klimaspezialisten in der Bundesregierung und in den zuständigen Ministerien, die einen sozialverträglichen Wandel aufweisen.

Es ist dringend geboten, den Bürgern mehr Beteiligung im Entscheidungsprozess zu ermöglichen. Dies könnte durch einen „Klima-Bürger:innenrat“ geschehen, einer gelosten Versammlung von Bürgern, die Grundlagen gemeinsam mit der Wissenschaft für die Regierung erarbeiten. Als Vorbild können die Bürger:innenräte in Irland, Texas, Kanada, Frankreich und GB genommen werden.

Als Ergebnis des Bürger:innenrates wird ein Handlungsplan Klimaschutz der Bürger für die Regierung erstellt: „Das trauen wir uns zu! das wollen wir!“. Und wetten wir, da kommen große Überraschungen zustande? Ich bin mir sicher, auch im Thema Klimaschutz sind eine Großzahl der Bürger:innen weiter als die Regierung es vermutet.

Es geht nicht darum, die Existenzgrundlage der landwirtschaftlichen Betriebe zu vernichten, sondern der Staat muss Hilfestellung leisten, um eine Umstellung auf eine zukunftsfähigen und nachhaltige Landwirtschaft zu erreichen. Das funktioniert nur mit den Betrieben und nur durch positive Anreize, mindestens 30 % der Betriebe auf eine Ökologische und bio-vegane Landwirtschaft umzustellen. Die jetzige Führung des BMEL (welch eine treffende Abkürzung für das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft) verhindert, leugnet und verschläft die dringenden Veränderungen, die sie anstoßen sollte.

Die Wirtschaft ist übrigens schon längst auf den fahrenden Zug der pflanzlichen Ernährung aufgesprungen – immer mehr Produkte, immer größer ist der Anteil der vegetarischen und veganen Angebote. Das bestätigt nun nicht die Angaben aus dem Fleischatlas, bei dem der Fleischverbrauch in den letzten Jahren ungefähr gleichgeblieben ist, aber es lässt auf eine Wende hoffen.

© Holger Pangritz, 06.01.2021 vegan4future e.V.