Wieviel unzureichenden Klimaschutz verträgt unsere und zukünftige Gesellschaften?

In den letzten Tagen wurde in den Medien ziemlich oft über Verantwortung und Klimachaoten geschrieben.

Ja, wer kennt sie nicht, diese Klimachaoten, die an Parlaments- und Regierungsstühlen kleben und wirksamen Klimaschutz blockieren. Gelingt es mal, welche aus den Reihen der Blockierer zu lösen, schon kleben deren Nachfolger:innen an den Stühlen. Seit Jahrzehnten gängige Praxis, die sich bis heute leider weitgehend fortgesetzt hat.

Lange nicht so ausführlich berichtet wurde in den letzten Tagen über den am 27. Oktober 2022 erstmalig veröffentlichten europäischen „Lancet Countdown“. Bereits seit 2017 gibt es jährlich den globalen „Lancet Countdown on Health and Climate Change“, ein Bericht von 99 Fachleuten aus 51 internationalen Institutionen, darunter die Weltgesundheitsorganisation (WHO) und die Weltorganisation für Meteorologie (WMO). Der neue nun vorliegende Bericht zeichnet ein düsteres Bild der gesundheitlichen Folgen des Klimawandels, die durch die anhaltende Abhängigkeit von fossilen Energieträgern weiter verschärft würden. Laut einer Analyse von 103 Ländern, nehmen Tage mit extremer Hitze aufgrund der Erderhitzung an Häufigkeit und Intensität zu. Die Ernährungssicherheit in vielen Ländern ist bedroht. Vor allem für vulnerable Bevölkerungsgruppen würden nahrhafte Lebensmittel künftig nur noch eingeschränkt verfügbar und zugänglich sein, prognostiziert Umweltökonomin Professorin Elizabeth Robinson von der London School of Economics in einer Mitteilung:

„Dies ist besonders besorgniserregend, wenn man bedenkt, dass sich die globalen Lebensmittelversorgungsketten in diesem Jahr erneut als äußerst schockanfällig erwiesen haben, was sich in rapide steigenden Lebensmittelpreisen und einer entsprechenden Zunahme der Ernährungsunsicherheit niederschlägt.“

Die durch die Erderhitzung zunehmende häufigere extreme Hitze ist eine unmittelbare Gefahr für die Gesundheit, indem sie etwa Herz-Kreislauf- und Atemwegserkrankungen verschlimmert, negative Auswirkungen auf Schwangerschaften hat und zu Hitzschlag, verschlechtertem Schlafverhalten und psychischer Gesundheit führt. Darüber hinaus schränke sie die Arbeits- und Bewegungsfähigkeit der Menschen ein, so der Bericht. Insgesamt sei die Zahl hitzebedingter Todesfälle im Zeitraum von 2017 bis 2021 im Vergleich zu den Jahren 2000 bis 2004 um 68 Prozent gestiegen.

Die Übersterblichkeit in Europa in den Monaten Juni, Juli, August betrug 107.000 Menschen. Für Deutschland hat eine Studie des Robert Koch-Instituts (RKI), des Umweltbundesamtes (Uba) und des Deutschen Wetterdiensts (DWD) für die Jahre 2018 bis 2020 abgeschätzt, dass insgesamt 19.300 Menschen durch die Auswirkungen von Hitze ums Leben kamen. Und im August hat das Statistische Bundesamt darauf hingewiesen, dass im Juli 2022 in Deutschland auffallend viele Menschen starben: rund 9.000 beziehungsweise 12 Prozent mehr Menschen als im Schnitt im Juli der vier vorangegangenen Jahre.

Johan Rockström, PIK: „Um unsere Familien und uns selbst zu schützen, müssen wir den Ausstoß von Treibhausgasen rasch reduzieren. Klimawandel kann tödlich sein. Von Hitzewellen, die in Ländern wie Deutschland Gesundheitsprobleme etwa bei alten Menschen verursachen, über Risiken von Missernten, die bei den Armen in asiatischen oder afrikanischen Ländern zu Mangelernährung führen können, bis hin zu einigen Infektionskrankheiten – die Auswirkungen der globalen Erwärmung sind enorm. Wir brauchen die Energiewende, für gesunde Menschen auf einem gesunden Planeten.

Was tut unsere Bundesregierung, was tun die Bundesländer, um laut Erkenntnissen der Wissenschaft wirksamen Klimaschutz und damit auch Gesundheitsschutz umzusetzen? Fossile Energien werden weiter subventioniert, der Zubau an erneuerbaren Energien funktioniert zu langsam und einfachste Maßnahmen wie das Tempolimit werden blockiert.

Seit 2018 haben sich Schüler:innen und Student:innen zusammengeschlossen und fordern eine Politik, die der Hauptaufgabe des 21. Jahrhunderts, die Bewältigung der Klimakrise, gerecht wird. Die Jugendlichen stellen Fragen zu ihrer Zukunft, äußern Ängste und Befürchtungen, was ihre Zukunft betrifft. Ihre Forderungen, erforderliche Klimapolitik auf Basis wissenschaftlicher Fakten zu machen, werden weitgehend ignoriert.

Wieviel unzureichenden Klimaschutz verträgt unsere und zukünftige Gesellschaften? Art. 20a GG verpflichtet den Staat zum Klimaschutz. Dies zielt auch auf die Herstellung von Klimaneutralität. Am 29.4.2021 hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) seine Entscheidung bekannt gegeben und damit einen neuen Maßstab für Klima- und Grundrechtsschutz gesetzt. Das BVerfG stellt fest, dass die heute unzureichende Klimaschutzpolitik Freiheits- und Grundrechten von morgen beeinträchtigt. Die verfassungsrechtlich notwendige Reduktion von Treibhausgasen darf nicht länger in die Zukunft und damit einseitig zu Lasten junger Generationen hinausgezögert werden. Als Klimaschutzgebot hat Art. 20a GG eine internationale Dimension. Das Klimaschutzgebot verlangt vom Staat international ausgerichtetes Handeln zum globalen Schutz des Klimas und verpflichtet, im Rahmen internationaler Abstimmung auf Klimaschutz hinzuwirken. Der Staat kann sich seiner Verantwortung nicht durch den Hinweis auf die Treibhausgasemissionen in anderen Staaten entziehen. Auch dieses Urteil wird von der Politik weitgehend ignoriert.

Also nochmals: Wieviel unzureichenden Klimaschutz verträgt unsere und zukünftige Gesellschaften?

Ich frage nun insbesondere für die Menschen, die solche Fragen, was ihre Zukunft betrifft, noch nicht stellen oder formulieren können, nämlich die Babys und Kleinkinder und für die Kinder, die sich noch im Bauch ihrer Mutter befinden und nichts davon ahnen, in welche lebensfeindliche Welt sie hineingeboren werden.

Helmut Treib

Vegan4future e.V.

#Klimakatastrophe#Klimaschutz#Gesundheitsschutz

Das Titelbild ist ein Pressebild von der Seite der letzten Generation: Frankfurter Tor 2 @Tenzin Heatherbell